24. Spieltag: Gerechte Punkteteilung im Spitzenduell
Ein heißer Tanz oder langweilig kann jeder – Pünktlich zum Auftakt der Frauenfußball WM in Kanada traf man sich auch im 6500 Kilometer entfernten Marbach, um um Punkte zu kämpfen. Anders als Mannschaften, die insbesondere im Pokal einige Ausrutscher erlebten, waren die Fortunen drei Spieltage vor Schluss noch nicht Meister und auch kein Pokalsieger. Letzteres konnten sie nicht mehr werden, ersteres jedoch schon. Die letzten Spiele in Marbach hatten immer so etwas wie Derby-Charakter, waren hart umkämpft und die Fortunen waren als Tabellenführer mal wieder die Gejagten. Genug Platz war vorhanden, er erstrahlte in geradezu beneidenswertem Grün, Mannschaften und Schiedsrichter Wehle waren angetreten, letzterer ließ seine Pfeife erschrillen und so konnte es losgehen. Es war Fußballzeit. Die in Schwarz Weiß spielenden Marbacher hatten Anstoß, woran niemand Anstoß nehmen konnte und das Spiel begann gegen die in bekanntem Blau gewandeten 96er. Und wie es los ging.
Da man sich bereits aus anderen Begegnungen kannte, konnte auf die berühmte Abtastphase verzichtet werden und zunächst stürmte nur die Fortuna. So bringt Mühlberger nach Pass von Alcala Pintado den Ball in den Strafraum und zu Schatz. Dessen Kopf konnte jedoch nicht genug Druck hinter den Ball bringen und so rappelte es noch nicht. Das sollte aber nicht so weiter gehen. Ein öffnender Pass vom spanischen Superstar Alcala Pintado auf Weiland, dieser setzt sich katzengleich gegen alle durch und schießt den Ball ins Tor und die Fortunen zur Führung. 1:0 in der zweiten Minute, ein Traumstart.
Was danach kam, habe ich bis heute zwar gesehen, aber nicht begriffen. Wiederanstoß Marbach, der Ball kommt zu Fritz, alle sehen zu, Fritz denkt sich wohl selber kurz, was mache ich hier und netzt ebenso verdutzt wie trocken zum 1:1 Ausgleich in der Folgeminute ein. Von außen hatte man den Eindruck, dass alle auf irgendeinen Pfiff gewartet hatten, der jedoch nicht kam. Oder die Abwehr der Fortunen auf einen Schuss, den sie nicht gehört hatten. 1:1 in der 3. Minute.
Als hätte es diesen Ausgleich nicht gegeben, stürmte die Umbreit Elf trotz gänzlicher Windstille munter weiter. So zirkelt Freistoßspezialist Mühlberger einen Freistoß in der 6. Minute gekonnt in Zimmermanns Hände. Auch die folgende Stafette: Einwurf Bimböse, Heinemann, Mühlberger brachte wenig Erfolg. In der 10. Minute bekamen die Mannen in Blau einen Eckstoß zugesprochen. Selbiger segelt in Kniehöhe in den Strafraum, Bimböse kommt mit dem Knie jedoch nicht mehr ran, hechtet, fliegt, trifft den Ball am Kopf, nein, mit dem Kopf und schon war wieder Grund zum Jubel der Gästefans. 1:2 und die Führung wieder übernommen. Auch ist anzumerken, dass hier nach 10 Minuten bereits mehr Tore gefallen waren, als in 180 Minuten Frauenfußball WM. 180 Minuten Frauenfußball sind übrigens gefühlte 360…
Und die Fortunen hatten lange noch nicht genug. Auf Grund des anstehenden Aufstiegsgipfels möchte ich hier nicht zu viel verraten, damit der Gegner aus Walschleben sich nicht auf die äußerst durchdachte Taktik Umbreits einstellen kann. Soviel sei jedoch gesagt: Jener machte das, passte auf diesen, wiederum jener auf den anderen um dann wieder auf einen anderen zu spielen. Eine gekonnte Angriffsaktion.
Dieses Spiel hatte wirklich einige Hochlichter zu bieten und schon bald erhöhte das nächste Licht das Firmament. Schatz drückt einen von Mühlberger getretenen Freistoß über die Linie und zum 1:3 in der 12. Minute.
Das schien nun die Marbacher wach zu rütteln und plötzlich besannen sie sich darauf, dass auch sie Fußball spielen können. Die Abwehr um Lukesch und Natt selbst bekamen immer mehr zu tun. Auch, weil die Umbreit 11 die Kontrolle über einen (ich möchte hier nicht zuviel verraten, ich sage nur Aufstiegsgipfel) Abschnitt des Spielfeldes verloren, der jedoch sehr wichtig ist. Kein Geheimnis ist es, dass Natt zwischen den Pfosten steht und das ein oder andere mal glänzend parierte.
Zwar kam der eine und auch der andere nach Zuspielen von jenem und diesem noch zu Chancen, aber es bahnte sich Übles an. In der 26. Minute herrschte plötzlich Verwirrung und Gewühl im Strafraum der 96er. Der geneigte und gramgebeugte Fan wusste, was nun kam. Das 2:3 durch Dziedzic, mit dem es auch in die Pause ging. Also mit beiden, dem Zwischenstand und dem Sportfreund Dziedzic.
Halbzeitfazit: Ja, Walschlebener, jetzt denkt ihr bestimmt, ich verrate hier Geheimnisse. Nichts da. Stattdessen ist mir beim Schreiben dieses Berichtes aufgefallen, wie brutal doch die Sprache im Fußball ist. Schuss, Stoß, Treten, Schießen, Angriff und so weiter und so fort. Da immer mehr Frauen den Weg auf und neben den Platz finden, bin ich dafür, eine sanftere Sprache einzuführen. So kann man zum Beispiel den Begriff Strafstoß durch 11 Meter ersetzen, den Freistoß durch Freitritt, das Schießen durch abziehen oder passen und angreifen durch nach vorne laufen. Auch kann man Gegner durch „die Anderen“ oder die Mitspieler in der anderen Farbe umschreiben. So kommt viel mehr Harmonie auf das Feld und in die Berichte.
Der Begriff Halbzeit ist jedoch nicht bru- sondern neutral und kann somit auch für die zweite Hälfte angewendet werden. Selbige fing jedoch für den immer gebeugteren Fan brutal an. Ein Marbacher hält zwei Minuten nach Wiederanpfiff einfach mal von der Strafraumgrenze drauf und haut gegen den Ball. Letzterer beginnt zu flattern und das nicht nur mit den Nerven. Natt überlegt noch kurz, ob er ihn fängt oder abwehrt. Nun begann das Spielgerät allerdings ein Eigenleben zu führen und immer mehr zu flattern. Deshalb entschied sich Natt auch zur Faustabwehr, jedoch leider genau auf den Fuß von Dziedzic, der zum 3:3 ausgleicht.
Die Fortuna wäre aber nicht die Fortuna, wenn sie dies auf sich sitzen ließe. In der 48. Minute bekommt die Umbreit Elf einen Freitritt zugesprochen. Mühlberger zückt Hammer und Zirkel und schiebt den Ball gekonnt über die Mauer und zur erneuten Führung. Jubel, Trubel, Heiterkeit. 3:4.
Ein Ausflug sei mir noch gestattet. Man hat ja bereits Höhen und Tiefen erlebt als Fan der Fortuna. Was dann jedoch kam, grenzte an Körperverletzung wegen mutwilliger Herbeiführung von Herzinfarkten und Kreislaufkollapsen. Es entwickelte sich ein Hin und Her, welches nur schwer zu ertragen war. Mehrfach tanzte der Ball um das Fortunentor, ein ums andere Mal auch auf dessen Linie, auch aluminiumfarbene Teile des Tores mussten zur Verhinderung des Ausgleiches herhalten. Es blieb einfach nichts anderes übrig, als zu beten, zu hoffen und zu fluchen. Für alles benutzten wir an der Seitenlinie dasselbe Wort: Arrg! Manchmal auch: Uff. Häufig auch D´hoh. Doch noch stand die Führung. Marbach wollte aber den Ausgleich, das merkte man ihrem Spiel auch an.
Als die 90 Minuten schon fast überstanden waren (ich versicherte mich derweil von dem ordnunsgemäßen Zustand der Fanherzen), kam es, ihr erratet es bestimmt, zu Gewühl im Strafraum. Und was folgt nach Gewühl im Strafraum? Wenn gerade kein Spiel auf dem Rasen stattfindet, ein Maulwurf oder eine gleichnamige Maus. Hier jedoch der Ausgleich durch Hofmann in der 89. Minute. Mit dem es dann auch in den Schlusspfiff.
Fazit: Verdientes Unentschieden. Die Sportfreunde aus Marbach kämpften und gaben nie auf. Es war insgesamt eines der schönsten Spiele der Saison, auch wenn mein Herz noch Stunden danach etwas anderes sagte. Aus vier Punkten Vorsprung sind zwei geworden. Aber wie sagte schon der alte Philosoph Mick Jagger: No, you can´t always get, what you want.
Nun kommt es also, wie gesagt, langweilig kann jeder, zum Showdown am vorletzten Spieltag. Dazu habe ich extra einen weiteren Philosophen angerufen, der mehr von Fußball versteht als Mick Jagger und ich zusammen. Oliver Kahn nämlich. Er sagte mir am Telefon, ich soll euch Folgendes von ihm ausrichten: „Unerschütterliche Moral ist das, was ein Spitzenteam auszeichnet. Denkt gar nicht darüber nach, dass ihr das Spiel verlieren könnt. Gewinnt es einfach. Es gibt keine Ungerechtigkeit oder Gerechtigkeit im Fußball. Sondern es gibt nur die Situation es anzunehmen und sich selber immer wieder auf die Probe zu stellen. Tuuut, Tuuut, tuuut (er musste auflegen, das ZDF rief an) “ In diesem Sinne: Amen und auf zum Aufstiegsgipfel.“ (Bericht: Martin Wilde)
Tore: 0:1 Weiland (2.), 1:1 Fritz (3.), 1:2 Bimböse (10.), 1:3 Schatz (12.), 2:3 Dziedzic (26.), 3:3 Dziedzic (46.), 3:4 Mühlberger (48.), 4:4 Hofmann (89.)
Aufstellung: Natt – Jülich, Hoyer, Lukesch – Klein – Weiland 8MK), Alcala-Pintado, Bimböse (87./Heß) – Mühlberger – Heinemann (55./Meier), Schatz