10. Spieltag: Ein Unmoralisches Angebot
Was macht man an einem Sonntag mit einem Platz voller frischer Linien, je einem Tor an jeder Seite, zwei Bänken auf der anderen, einem Platz, der voll mit Rasen, jedoch gänzlich baum- und buschfrei ist und auf dem zusätzlich noch ein Ball herum liegt? Richtig. Man fährt Mountainbike. Da aber zufällig keine Mountainbikes anwesend waren, dafür aber zwei Mannschaften und drei Schiedsrichter, entschied man sich stattdessen, den 10. Spieltag der Kreisliga Erfurt/Sömmerda auszutragen. Das war clever, denn weder der Tabellenzweite FC Weißensee noch der SC Fortuna Erfurt, die nach furiosem Start in der letzten Zeit und in der Liga, einige Rückschläge erleiden mussten, hatten gerade etwas anderes vor, waren zufällig anwesend und so war einmal mehr Fußballzeit.
Wie immer waren die Zuseher mit Mann und Maus angereist, um der spannendsten aller Ligen im Erfurter Fussball ihre Aufmerksamkeit zu widmen. Schiedsrichter Sichardt wurde an den Linien unterstützt von Wagner und Wunderlich, wobei aber leider keine Oper durch das weite Rund schallte. Dafür sollte das Spiel umso wunderlicher werden, ja, es lag sogar etwas Magie in der Luft, durch die der Anpfiff erschallte.
Weissensee trat in blauen Trikots an, die Fortunen in ungewohntem Orange, jedoch wenigstens mit gleichfarbigen Rückennummern. Es versprach ein spannender Nachmittag zu werden.
Die Zuseher hatten kaum auf der Tribüne ihren Platz gefunden, als ein zweiter Anpfiff ertönte. Verwundert fragte man sich, warum. Hatte der erste etwa nicht geklappt oder wurde gar nach hinten ausgeführt? Weit gefehlt. Die Fortunen hatten sich das Spielgerät bei eigenem Anstoß abluchsen lassen, selbiges wurde nach vorne gepasst und Hebestreit netzt, nachdem er sich über links in den Strafraum tankte, zum 0:1 nach 30 Sekunden ein. Das nennt man dann wohl einen klassischen Fehlstart. Oder steckte gar Taktik dahinter? Der Spielverlauf wird es zeigen.
Zunächst ließen sich die Mannen um Trainer Arndt Umbreit davon nicht beeindrucken und passten munter aufeinander auf und sich den Ball zu. So bedoppelpassen sich Lukesch und Meier, aber sie kommen beide nicht in des Gegners Strafraum. Auch ein Einwurf von Vitzthum auf Schatz´ Fuß brachte wenig. Insgesamt war das Spiel der 96er zu ungenau und zu -gefährlich.
In der 16. Minute machte Weissensee klar, warum sie dort oben stehen. Ein schneller und genialer Pass in die Gasse, den Gollek aufnimmt und zum 0:2 vollendet. Das konnte ja heiter werden, dachten sich wohl auch die Wolken und verschwanden kurz vom Himmel.
Normalerweise werden die Fortunen ja durch einen Rückstand angestachelt und spielen erst dann gewohnt sicher und zielstrebig. Dieses mal jedoch leider nicht. Es lief einfach nicht viel zusammen, obwohl wirklich alle zusammen liefen, Ja, man hatte fast den Eindruck, als hätten sie die Hosen voll, während es bei Weissensee recht flüssig lief. Letztere verlegten sich auf die Abwehr und spekulierten wohl auf Konter.
Und wäre ein 0:2 nicht schon schlimm genug, sollte es in der 37. Minute noch dicker kommen, und das, obwohl ich bereits anwesend war. Am rechten Strafraumeck wird ein Weissenseeer gefoult und es gibt den berechtigten Strafstoß. Schulze legt sich den Ball zu Recht zurecht, zieht ab und trifft zum 0:3. Dehling, der heute sein Debüt im Tor der Fortunen gab, und das, anders als der Zwischenstand vermuten lässt, sehr gut, war mit der Hand noch am Ball, konnte jedoch gegen den scharfen Schuss nichts mehr ausrichten.
So ging es mit einem heftigen Rückstand und hängenden Köpfen in die Halbzeit.
Halbzeitfazit: Gegen einen schnellen und gut stehenden robusten Gegner fiel den Fortunen nichts ein. In der ersten Halbzeit war man dem Gegner in fast allen Belangen unterlegen und lag zu Recht auch in dieser Höhe verdient zurück. Weissensee stand so sicher, dass man sich durch die Abwehr hätte durchbayern müssen. Da musste in der zweiten Halbzeit mehr kommen und in der Halbzeit eine ordentliche Ansprache.
Eine Randanekdote sei mir hier noch erlaubt. In der Pause nutzte Torwartlegende Koch die Zeit, um einige Bälle wahlweise zu fangen oder kraft Willens am Tor vorbei zu gucken. Dabei gelang ihm beinahe Sagenhaftes. Der Ball kommt von Hippauf an den Pfosten, von dort springt er Koch an das Knie, wieder an den Pfosten, an Kochs Rücken und hernach, man glaubt es kaum, wieder an den Pfosten bevor er, also der Ball, gefangen wurde. Hätte der Ball den Weg ins Tor gefunden und wäre es während des Spiels passiert, es wäre wohl das Kacktor des Jahrtausends geworden. Wer sich hier in der Kabine aufwärmte, hatte das beste bisher verpasst. Aber ich schweife ab, es geht nun geregelt mit der zweiten Halbzeit weiter.
Man merkte gleich, dass sich die 96er diese Schmach nicht auf sich sitzen lassen würden. Sie waren schon lange vor dem Wiederanpfiff auf dem Platz und man sah, was man selten sieht. Einen Kreis aus Spielern. Ich überlegte noch kurz, ob ich noch eine Liege daneben stelle, um so ein Bilderrätsel zu erstellen. Jedoch hätte die Rechtschreibung hierzu arg gebeutelt werden müssen und so beließ ich es und nahm wieder an meinem Roman Tisch Platz und aß ein schattiges Plätzchen.
Was machten die Mannen in Orange aus den zweiten 45 Minuten fragte man sich. Um es kurz zu machen, fast das beste.
Plötzlich begannen sie, Fußball zu spielen. So passt Weiland auf Meier, Jülich hinten auf, Klein spielt plötzlich auf wie ein Großer, Steinborn findet zu seiner gewohnten Routine zurück, ich meine sogar, noch einen Hahn krähen gehört zu haben. Plötzlich war das Spiel der 96 wie ausgewechselt, obwohl Umbreit die Mannschaft unverändert gelassen hatte.
Heinze lief über links, Vitzthum schlug die Bälle nach vorn, es war schön anzuschauen. Und so wurden sie auch schnell belohnt.
In der 48. Minute führt Vitzthum einen Freistoß schnell aus, Schatz erkennt als erster die Gelegenheit und dieser macht das, was er am besten kann. Einnetzen. 1:3 und noch war Zeit, das Spiel nicht nur unentschieden zu gestalten, sondern auch noch zu drehen. Es spielten sich unglaubliche Szenen des Jubels, des Trubels und der Heiterkeit an der Seitenlinie ab.
Nur vier Minuten später versuchten es die beiden Helden des Anschlusstreffers erneut mit derselben Masche. Diesmal trifft Schatz jedoch nicht die Maschen, sondern nur den Pfosten. Da ich hernach sprach wie ein Pirat, fällt mir hierzu, um die Spannung des Berichtes aufzulockern, ein guter Witz ein. Warum können Seeräuber einen Kreis nie richtig berechnen? Weil Sie Pi raten. Aber das nur am Rande.
Und die Fortunen machten weiter. So kommt ein weiter Abschlag Dehlings zu Schatz, der setzt sich stark durch, kann aber in letzter Sekunde von einem fast doppelt so großen Verteidiger noch gestoppt werden.
Angriff auf Angriff rollte auf das Tor von Lichtwark zu, der in der zweiten Halbzeit mehr zu tun bekam, als in der ersten.
Wenn man Moral zeigt und kämpft, wird dies meist belohnt. So kam die 64. Minute. Lukesch nähert sich dem Strafraum, setzt gut nach und sich durch, der Ball kommt zu Weiland und dieser trifft zum 2:3! Ich kann an dieser Stelle den Jubel, den Trubel und die Heiterkeit gar nicht beschreiben, auch weil das meiste davon nicht jugendfrei war.
Auch danach rannte nur noch eine Mannschaft. Die orangene. Leider ist der Ball jedoch rund und ein Spiel hat nur 90 Minuten plus Nachspielzeit und so gelang es leider nicht mehr, hier noch einmal auf den und zu einem Punkt zu kommen. Der letzte Pfiff des Spiels war der Abpfiff und so wurde die Moral und der Kampfgeist (Kampfgeister stammen übrigens häufig aus Japan. Samurai geben nicht einfach so auf, nur weil sie nicht mehr am Leben sind) leider nicht belohnt.
Fazit und Abschlusspressekonferenz: Ihr habt eins bewiesen. Die Moral stimmt. Der Kampf auch. Ihr seid das, was man in den 80ern eine dufte Truppe genannt hätte. Die zweite Halbzeit war sehenswert und gewohnt überzeugend. Ein Punkt wäre verdient gewesen. Kopf hoch, weiter machen. Vor dem Spiel ist nach dem Spiel und der Ball ist Rund und eine Saison hat 26 Spieltage.
Auf die Frage, warum seine Mannschaft den psychologischen Vorteil des frühen Rückstandes nicht genutzt hat, antwortete Klein: „In Zukunft überlegen wir, gleich mit einem 0:3 in das Spiel zu starten. Nur für die Moral der Mannschaft. Der Schiedsrichter hält dies jedoch für nicht regelkonform und für unmoralisch. Aber immerhin hätten wir dann 90 statt 45 Minuten Zeit, das Spiel zu drehen.“
Tore: 0:1 Hebestreit (1.); 0:2 Gollek (18.); 0:3 Schulze (37; FE); 1:3 Schatz (48.); 2:3 Weiland (64.)
Aufstellung: Dehling – Jülich – Steinborn – Klein – Hahn (71./Bimböse) – Meier – Heinze – Vitzthum – Lukesch – Weiland – Schatz